IMI-Standpunkt 2025/030
Militärpolitik durch die Hintertür
Die Universitäten und das bayerische Bundeswehrgesetz
von: Karina Wasitschek | Veröffentlicht am: 19. Mai 2025
Vergangenen Juli wurde das „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern“ beschlossen (siehe auch IMI-Analyse 2024/07). Janina Reimann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Kassel, hat das Gesetz für einen Verfassungsblog-Beitrag juristisch unter die Lupe genommen und urteilt: „Die bildungspolitische Zeitenwende in der Bundeswehr steht im Bundesstaat Bayern auf verfassungswidrigen Beinen.“[1] In ihrem Beitrag zitiert sie den Gesetzestext und vergleicht ihn mit den relevanten Paragraphen im Landes- und Bundesrecht. Indem sie sich vor allem auf die bildungs- und wissenschaftsbezogenen Teile konzentriert, liefert sie damit auch Argumente für die im Februar 2025 von Gewerkschaften und Friedensbewegung eingereichten Popularklage vor dem bayerischen Verfassungsgerichtshof.[2]
Das Gesetzesvorhaben ist laut den Initiatoren aus der CSU eine umfassende Maßnahme zur Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit und betrifft zahlreiche Rechtsgebiete: Vor allem die Wissenschaftsfreiheit, das Erziehungs- und Unterrichtswesen, das Denkmalschutzgesetz und die Bauordnung sind davon betroffen. Auf landesrechtlicher Ebene greift Bayern laut Reimann damit „in jegliche Bereiche staatlichen Handelns“ ein und öffnet umfassend „verschiedenste rechtliche Sachbereiche für militärische Belange“.
Über die Kooperationspflicht bekommt die Bundeswehr „ungehinderte[n] Zugang […] zu Forschung und Entwicklung“; die Universitäten sind also verpflichtet, mit der Bundeswehr „im Interesse der nationalen Sicherheit“ zusammenzuarbeiten, wie es im Gesetz heißt. Ressourcen und Forschungskapazitäten der Hochschulen müssten damit, so Reimann, im „Falle einer notwendigen militärischen Verteidigung“ der Bundeswehr zur Verfügung gestellt werden.
Der Angriff auf die vom Gesetz als „unzulässig“ eingeordneten Zivilklauseln – das heißt, dass Zivilklauseln untersagt werden – greife in die Satzungsautonomie der Hochschulen ein. Dabei sind Zivilklauseln je nach Hochschule unterschiedlich ausgestaltet. „‚Die‘ Zivilklausel existiert nicht und ‚die eine‘ Zivilklausel kann deshalb aufgrund mangelnder Bestimmtheit nicht ohne Weiteres verboten werden.“ Aufgrund dieser „mangelnde[n] Bestimmtheit“ werden also verfassungsrechtliche Bedenken angebracht.
Aber nicht nur die massiven Eingriffe in Wissenschaftsfreiheit und die generelle Unbestimmtheit sind problematisch; das Gesetz an sich basiert für Reimann „auf einer zweifelhaften Gesetzgebungskompetenz.“ Hochschulangelegenheiten sind demnach konkurrierend geregelt, sie sind Ländersache, solange der Bund nicht tätig wird. Bei auswärtigen Angelegenheiten, Verteidigung und Schutz der Zivilbevölkerung hat ausschließlich der Bund Gesetzgebungskompetenz. Fraglich ist für Reimann also, „ob nicht Verteidigungspolitik durch die Hintertür betrieben wird.“
Dabei kommt das im Blogbeitrag zitierte Zivilklausel-Gutachten des Staatsrechtslehrers Erhard Denninger von 2009[3] zu dem Schluss, dass sowohl die Präambel des Grundgesetzes als auch zahlreiche Landesverfassungen staatliche „Friedfertigkeit“ verankern – es sei, so Reimann, „nur richtig von der ‚Friedens-Finalität‘ des Grundgesetzes zu sprechen. Die gesetzliche Festschreibung eines Verbots, durch Hochschulen die elementare und konstitutive friedliche Ausrichtung der Verfassung in Form von Zivilklauseln aufzunehmen, berührt damit den Kern der Wissenschaftsfreiheit und konterkariert die staatlich verankerte Grundausrichtung der Friedlichkeit.“
Sowohl das bayerische Gesetz als auch der deckungsgleiche FDP-Entwurf in den Hessischen Landtag verstießen somit gleich aus mehreren Gründen gegen das Verfassungsrecht, urteilt Reimann: „Das Gesetz untergräbt die Satzungsautonomie der Hochschulen, bedroht damit die Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit und verstößt gegen die grundgesetzliche Kompetenzordnung. Durch eine solche Militarisierung durch die Hintertür werden die „Friedens-Finalität“ des Grundgesetzes und die historische und institutionelle Verankerung der Trennung von Militär und ziviler Sphäre untergraben. Statt einen politischen Konsens in den allgegenwärtigen Militarisierungstendenzen zu suchen, ist es vielmehr wünschenswert und notwendig mehr Einsatz für den Frieden zu wagen. […] Dem Aufruf „Friedensfähigkeit statt Kriegstüchtigkeit“ kann demnach nur zuzustimmen sein.“
Anmerkungen
[1] Reimann, Janina: Bayerns Weg zur Förderung der Bundeswehr. Verteidigungs- oder Hochschulpolitik? verfassungsblog.de, 29.1.2025.
[2] Das Bündnis für die Popularklage, vertreten durch die Anwältin Adelheid Rupp, besteht aus rund 200 Kläger*innen: Jurist*innen, Wissenschaftler*innen, Kirchen und Verbände, darunter DFG-VK Bayern und GEW Bayern. Der Bayerische Landesstudierendenrat, Mitkläger, übt in seinem Beschluss scharfe Kritik an der Nichteinbeziehung Studierender, die mithin den größten Teil der Hochschullandschaft ausmachen und nennt das „Desinteresse an studentischen Belangen und Perspektiven […] inakzeptabel.“ (vgl. https://baystura.de/wp-content/uploads/2024/07/2024-07-21-Position-gegen-das-Gesetz-zur-Foerderung-der-Bundeswehr-in-Bayern.pdf, Zugriff 12.5.25). Die Bearbeitung und Verhandlung stehen noch aus.
[3] So heißt es in der Präambel und Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes: „von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“, bekennt sich „das deutsche Volk […] darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“; außerdem in Artikel 26: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskriegs vorzubereiten, sind verfassungswidrig.“ Das im Februar 2009 veröffentlichte Gutachten wurde von der Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegeben und beurteilt vornehmlich die Zulässigkeit einer Zivilklausel am damals noch in Planung befindlichen Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Abrufbar unter: https://zivilklauselmarburg.wordpress.com/wp-content/uploads/2013/11/mbf_gutachten_denninger_2009.pdf, Zugriff 12.5.25.